Panik
- soenk3
- 19. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Juni
Ein Berichts meines Tourenpartners Christian

Eisklettern mit Till im Aostatal
'Jochberg Nordw., Linkes Gully: Meist über etliche Seillängen gutes dickes Eis. Bei mehreren Seilschaften erhebliche Steinschlaggefahr.' Eiskletterführer, Panico Verlag
In der nächsten Seillänge bin ich wieder dran. Und gleich mal ein sehr steiler Aufschwung mit in der Tat tollem Eis. Bald kann ich eine solide Schraube setzen. Ich war schnell wieder sicher geworden in diesem Terrain. Schon mehrere Male war ich hier unterwegs gewesen, abenteuerlich ist es immer. Es war Sönkes Vorschlag. Am Tag vorher noch am Fels am Brauneck in der wärmenden Sonne geklettert. Und dann mit den Ski zurück ins Tal. In der Nähe von Kochel beim E-Werk in den Bussen gepennt, ein schnelles Frühstück und los ging’s. Es waren schon Leute vor uns eingestiegen und auch ein Solokletterer war knapp vor uns los. Sönke lobte mich zwischendurch für mein beherztes Klettern. Naja, es war durchaus anspruchsvoll, seine Worte taten gut. Aber auch er kam gut voran.
Ich steige weiter in dieser tollen, langen und immer wieder steilen Seillänge. Ferse tief halten, schon ungewohnt. Aber die Steigeisen halten sehr gut. Dann sind da ein paar Meter verschneites Gelände, fast ein Bachbett. Ich schaue mich um wo ich Stand bauen könnte. Weiter rechts im soliden Fels oder doch ein paar Meter weiter wieder im Eis. Hab noch zwei Schrauben, also passt’s. Plötzlich höre ich was und sehe einen Stein runterfallen. Sofort rufe ich zu Sönke runter. Wo war der Brocken nur her?
Der Stand ist schnell aufgebaut, ich hole das Seil ein. Viel ist es nicht, es spannt bald. Naja, ist ja auch eine ziemlich lange Strecke gewesen. Tuber eingelegt und runtergerufen. Keine Antwort. Lauter, „Stand“. Nix. Ich bin schon ziemlich weit geklettert. Wahrscheinlich hört er mich nicht. Aus der Routine heraus sollte er doch mitbekommen, dass ich am Stand bin. Und dann nachkommen und ich das dann am Schlappseil merke. Nix. Von der Seilschaft oberhalb seh ich nur noch die Nachsteigerin. Unterhalb ist eine massive Nebelbank. Immer noch Nix. Ich mach mir Sorgen. Warum kommt er nicht? Ihm muss doch klar sein, dass er nachsteigen kann. Mist, was ist los? Alles Rufen und Ziehen nützt nichts. Panik.
Ich hole mein Handy raus und rufe die Rettung. Werde mit der Bergwacht Kochel verbunden und schildere unsere Situation. Jochberg Nordwand, Linkes Gully, Nachsteiger kommt nicht nach. Über WhatsApp soll ich unsere Position angeben. Heli wird angefordert. Dauert, dann Geknattere. Oberhalb ist auch eine Wolkenschicht, dazwischen aber gute Sicht. Gott sei Dank. Sie finden uns nicht gleich. Viel zu weit links. Ich habe Telefonkontakt und über die eigenen Rotorgeräusche via meinem Handy kommen sie endlich näher. Sie sehen uns. Longline. Zuerst wird Sönke rausgeholt. Dann kommt der Heli zu mir. Es ist nur ein kurzer Flug runter zur Bergwacht. Ich werde in einen Aufenthaltsraum gebracht. „Meinen Kletterpartner hat’s ziemlich erwischt.“ Ich bin schockiert. Der Notarzt ist bei ihm, ich soll nicht hingehen. Der Pilot lobt mich für meine gute Einweisung oben am Berg. Dann wird Sönke nach Murnau geflogen. Ein Bergwachtler bringt mich zum Auto und ich fahre Sönke nach. An der Unfallklinik lassen sie mich nicht rein zu ihm. Längst wird er auf der Intensivstation behandelt.
Lang verfolgt mich der Unfall. Ich fühle mich ohnmächtig und muss immer wieder weinen. Nicht weil ich ursächliche Schuld empfinde, sondern weil ich so unversehrt bin, Sönke aber im Koma liegt und extrem kämpfen muss. Warum nur war ein Felsbrocken genau auf seinen Kopf gekracht?

Umso mehr hat es mich dann gefreut, dass es dann stetig mit ihm aufwärts geht. Wir treffen uns ein paar mal in München, gehen ins Kino und zu Tollwood. Er kommt mit seinem Liegerad und wir drehen eine große Runde, danach gehen wir sogar eine Skitour am Spitzing. Leider erlebt Sönke immer wieder Rückschläge. Aber er kämpft sich auch immer wieder zurück. Er ist sehr stark. So sehr wünsche ich dir, lieber Sönke, eine weitere Genesung und freue mich auf viele weitere Treffen mit dir. Zum Eisklettern bin ich nie wieder gegangen.












Kommentare