top of page
Blick vom Heimgarten, Thema "zurueck an den Berg"

Schicksal?

  • soenk3
  • 23. Juli
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 22. Aug.

ree

Ist es Zufall, was mir passiert ist? Oder Fügung des Schicksals? Oder Gottes Plan?


Doch erst noch ganz knapp zum Abschluss der Geschichte mit Rupert. Zwei Franzosen, die sich an der Droites verklettert hatten und erst um 1 Uhr bei der Hütte ankamen, halfen mir am Tag darauf selbstlos, das Gepäck von der Hütte zu bringen. Dafür hatten sie in Argentière, dem Talort, wirklich ein Bier gut.


Ich musste mehr als ein Krankenhaus abklappern, bevor ich Rupert fand. Der Fels hatte den Oberarm gebrochen und für einen Trümmerbruch am Gelenk und am Schulterblatt gesorgt. Dafür sind gewaltige Kräfte nötig. Wenn der Stein ihn am Kopf getroffen hätte, so sagte ein Arzt in Frankreich, so hätte der Glanitblock einfach den Kopf in den Rumpf gerammt...

Eine sofortige Operation war nicht möglich, weil das Gewebe zu stark geschwollen war. Stattdessen setzte man ihn mit ausreichend Schmerztabletten zu mir ins Auto. Davon nahm er als echter Held der Berge keine und fing dann doch irgendwo hinter Zürich leise das Jammern an.


Rupert wurde erst nach zehn Tagen unters Messer gelegt, so geschwollen war bis dahin noch der Arm. Es habe mindestens sechs Wochen gedauert, bis er anfangen konnte, den Arm überhaupt wieder zu bewegen. Er sei lahm gewesen und sei einfach nur heruntergehangen.

Auch wenn er manchmal darüber klagen sollte, dass sein Arm nicht mehr die gleiche Reichweite hat, wie vorher: Nach drei Monaten fing Rupert langsam, aber sicher, wieder das Klettern an. Irgendwann reichte es immerhin noch für den Walkerpfeiler an der Nordwand der Grandes Jorasses!


Steinschlag wird oft unterschätzt. Ich unterschätzte ihn solange, bis er mir selbst zum Verhängnis wurde. Gegen Steinschlag kann nur bei der Tourenplanung etwas machen. Aber selbst dann kann einen Steinschlag jederzeit erwischen. Und wenn er auf deinen Kopf zielt, bist du absolut machtlos.

Ich war die zwei Jahrzehnte nach Rupert Unfall fast pausenlos in den Bergen unterwegs. Ich habe soweit ich weiß nur zwei Unfälle mit Steinschlag aus nächster Nähe mitgekriegt. Einer davon war der mit Rupert, und einer davon mein eigener Unfall. In beiden Fällen war es sensationelles Pech. In Ruperts Fall fiel nur ein Stein!! Doch der war leider riesig und traf Rupert genau in den Stand. In höchstem Maße unwahrscheinlich. Trotzdem hat Rupert auch unwahrscheinliches Glück gehabt. Der Granitblock schlug haarscharf neben seinem Schädel ein. Und dass er noch zu laufen im Stande war. Und dass der Hubschrauber kam, was nachts selten geschieht, sei denn, es ist windstill und eine klare Nacht. Und nicht zuletzt, dass die Wirtsleute da waren und den Helikopter kontaktieren konnten.


In meinem Fall meinte der Bergführer, der bei der Rettung dabei war, er hätte noch nie gesehen, dass ein Stein so direkt auf den Schädel trifft. Rasendes Pech.

Und dann war ausgerechnet da, wo ich lag, eine Wolkenlücke für den Hubschrauber. Und es ging so schnell, bis Hilfe eintraf. Und dann habe ich nicht nur überlebt: ich habe sogar keinen massiven Dachschaden zu beklagen gehabt, was bei der Schwere meiner Verletzungen etwas ganz Besonderes ist.


So viel Pech und zugleich so viel Glück. Wir beide, Rupert und ich, haben uns nach 23 Jahren zum ersten Mal richtig über diesen Unfall unterhalten. Ich hätte ihm noch eine Frage stellen sollen: hast du dir je überlegt, ob es einen tieferen Sinn an deinem Unfall gab? Ich meinerseits denke immer wieder drüber nach: ob das alles bloß Zufall war? Fügung? Schicksal? Gott? Über Fügung oder Schicksal gibt wahrscheinlich genügend Literatur: Ich glaube, ich will es dabei bewenden lassen. Und über Gott gibt es vermutlich noch viel mehr Literatur. Aber da habe ich (als Religionlehrer) schon mehr dazu zu sagen. Obwohl: Ja und nein. Ich WEISS nichts über Gott, möge ich nun Relilehrer sein oder nicht. Und ich weiß nicht, ob mein Unfall wirklich einen tieferen Sinn hat. Aber irgendwie glaube ich es schon. Und jetzt um so mehr, nachdem ich ein zweites Mal „down“ bin, nachdem ich (körperlich) schon so viel geschafft hatte: irgendwie macht es Sinn, was mir passiert ist. Auch das zweite Down. Und das richtet mich gelegentlich auf, und wenn ich ab heute mein ganzes Leben nicht mehr laufen könnte: ich werde es mit Fassung tragen, weil ich für mich einen Sinn erkenne. Es kommt nur darauf an, wie es weitergeht. Ich weiß es nicht. Schau ma mal, dann seh` ma ja! Wenn ich es endlich weiß, wie es ausgeht, dann erzähle auch vom Sinn ;-)

Im Moment beten sehr viele Leute, dass es für mich aufwärts geht. Danke vielmals!!


Nachtrag: Am Montag, als dieser Beitrag rauskam, starb Laura Dahlmeier. Wir kennen Laura Dahlmeier durch ihre großen Erfolge im Biathlon. Nach ihrer Biathlonkarriere widmete sie sich voll und ganz dem Bergsport. Zum Zeitpunkt ihres Todes war sie im Karakorum, an einem schwierigen Berg. Sie starb an Steinschlag.

Mein tiefes Mitgefühl gilt ihrer Familie und ihren Freunden.


ree

 
 
 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Kommentare


bottom of page